Date: Fri, 22 Jan 1999 18:01:43 +0100 Subject: Heidegger in Germany Cologne 22 January 1999 Last night I came across an article by a young (born 1970) philosopher at Marburg University, Christian Lotz, at one of the URLs: http://www.sicetnon.cogito.de/ http://www.cogito.de/sicetnon/ His article is called: "Freude und Trauer sind nicht im Herzen wie das Blut im Herzen ist" He writes e.g.(sorry, no time today to provide translations): >>Heidegger dagegen muß – um die explizite Reflexion ganz abzulehnen – eine ursprüngliche Selbst-Durchsichtigkeit (Erschlossenheit) annehmen. Das führt aber zu der Frage, warum wir überhaupt noch Phänomenologie benötigen, wenn wir uns "immer schon" durchsichtig sind. Diese Frage versucht Heidegger mit einer ideologie- bzw. kulturkritischen Betonung seiner Theorie zu beantworten, die sich aus der Annahme eines Verfalls unserer selbst von der ursprünglichen Selbstdurchsichtigkeit speist. Letztere muß kritisch destruiert werden, weil sie zu den desaströsen Tendenzen der Philosophie Heideggers führt, so das Verkennen der Intersubjektivität und die daraus folgende Identifizierung des Mitseins mit der Schicksalsgemeinschaft des Volkes.<< This quickness to judge is typical of a Heidegger-bashing style in Germany today. Instead of a careful study and thinking through of available texts (most of the important texts are now published in the Gesamtausgabe), we find global comments of a political nature. Just about everything in the passage quoted is untenable on a closer pondering: the understanding of Erschlossenheit as Selbst-Durchsichtigkeit, the "ideologie- bzw. kulturkritische Betonung", that Heidegger is writing "Theorie", that "Verfall" could be put on the same plane as Erschlossenheit, that Heidegger ignored "Intersubjektivität", that he identified Mitsein with the "Schicksalsgemeinschaft des Volkes". (GA27 has some of the best stuff which Heidegger wrote on Mitsein.) That all these harsh, quick judgements 'wash' indicates the wound of National-Socialism which has paralyzed German thinking and led to a post-war sell-out to Anglo-Saxon paradigms. So-called Critical Theory has propagated a sociologization of Heidegger's thinking which serves as fertile soil for people like Lotz. ----------- The same untenability applies to the following footnote by Lotz: >>(37) Auf die Frage, inwieweit beide Begriffe (mitsamt dem der "Erschlossenheit") zusammenhängen bzw. nicht zusammenhängen, kann ich nicht weiter eingehen. Ich bin aber grundsätzlich der Meinung von Ernst Tugendhat. Vgl. Tugendhat, Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung, 172: "Daß die Einführung des Terminus ‚Dasein‘ irgendeinen positiven Sinn haben soll, kann ich nicht sehen. Es ist nur ein Manierismus mit schädlichen Folgen [...]". Vgl. auch Fink-Eitel: Die Philosophie der Stimmungen, 27f.: dort wird "Erschlossenheit" mit "implizites Bewußtsein" übersetzt. Gegen eine solche mögliche Interpretation wendet sich allerdings Heidegger 16 Jahre nach dem Erscheinen von Sein und Zeit in einer Selbstinterpretation: "Darum wird nun auch jedes nach-Denken verbaut, wenn man sich begnügt festzustellen, in ‚Sein und Zeit‘ werde statt ‚Bewußtsein‘ das Wort ‚Dasein‘ gebraucht. Als ob hier der bloße Gebrauch verschiedener Wörter zur Verhandlung stünde, als ob es sich nicht um das Eine und Einzige handelte, den Bezug des Seins zum Wesen des Menschen [...] vor das Denken zu bringen. [...] Vielmehr ist mit ‚Dasein‘ solches genannt, was erst einmal als Stelle, nämlich als die Ortschaft der Wahrheit des Seins erfahren und dann entsprechend gedacht werden soll" (vgl. Heidegger: Wegmarken, 373). Letztere Aussage ist textlich nicht haltbar und entspringt der monströsen Hochstilisierung von Sein und Zeit als "Wegmarke" auf dem "Denkweg" des "Zu-Denkenden", d.h. des "Seins selbst". Es ließen sich viele Stellen aus den Vorlesungen zwischen 1923 und 1928 und auch aus Sein und Zeit selbst anführen, in denen Heidegger den Begriff "Dasein" mit Subjekt, Subjektivität, Ich oder den Cogitationes gleichsetzt. Es wird niemand behaupten wollen, es sei schlechthin dasselbe, was Heidegger mit "Dasein" zu fassen sucht, aber es ist auch nicht schlechthin etwas anderes als "Bewußtsein", sondern nur dessen Neuauslegung. Dieser Aufsatz versucht nicht von vornherein beide Begriffe gegeneinander auszuspielen, sondern thematisiert ihr Gemeinsames. Ich bevorzuge für die Andeutung der Transformation Heideggers die Ersetzung in das einfache "wir selbst", und das sind unsere Existenzweisen, d.h. praktischen und tätigen Weisen zu existieren. Auf die Antwort der Frage, wer oder was denn nun "Dasein" bedeute, muß man antworten: "wir selbst" – und Heidegger schreibt selbst: "Dieses Seiende, das wir selbst je sind [...] fassen wir terminologisch als Dasein" (Heidegger: Sein und Zeit, 7; kursiv, C.L.). Leider wird Sein und Zeit immer noch nicht genau genug gelesen. Eine erste wirklich "hermeneutisch" zu nennende Lesart hat Luckner vorgelegt. Vgl. Luckner: Martin Heidegger. "Sein und Zeit": ein einführender Kommentar.<< Extravagant phrases such as "monströse Hochstilisierung" substitute for any sobre thinking through of what the Heidegger passage quoted is plainly pointing to. Lotz sees no need at all the consider (H. speaks of "nachdenken") what is meant by "die Ortschaft der Wahrheit des Seins", and with his polemic as smoke screen simply reasserts without argument that Dasein is the same thing as Subjekt (at best a new interpretation thereof). The polemics reach their absurd summit with the complacent remark that "_Sein und Zeit_ immer noch nicht genau genug gelesen wird". Chaire! Michael _-_-_-_-_-_-_-_-_-_- artefact text and translation _-_-_-_-_-_-_-_-_-_- _-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- made by art _-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- http://www.webcom.com/artefact/ _-_-_-_-_-_-_-_ artefact-AT-t-online.de-_-_ _-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_ Dr Michael Eldred -_-_-_ _-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_-_- --- from list heidegger-AT-lists.village.virginia.edu ---
Display software: ArchTracker © Malgosia Askanas, 2000-2005